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Gundermann

  • 25. Oktober 2018
  • Pop

Über Dresens Gundermann Film gab es viel Unterschiedliches zu lesen. Die Taz hat eine Stasigeschichte gesehen, die in die alte Frage mündet, ob man nicht das gute Werk vom bösen Autor trennen müsse. Spiegel Online findet ganz umwerfend, wie toll Alexander Scheer den Menschen Gundermann “in seiner ganzen Vogelhaftigkeit“ nachahmen kann. Und die FAZ freut sich über einen Heimatfilm, den man auch “zum Ende der Bergbauära im Ruhrgebiet 2018“ schauen kann.

Gundermann anyone?

Gundermann

Bild: Peter Hartwig, Pandora Film

Zentral in Dresens Film ist Gundermanns Stasigeschichte. Einerseits als Täter, andererseits als Opfer. Die Frage, wie bestimmte Akteure in der DDR zur Stasi gekommen sind, wird in Filmen selten gestellt. Ikonisch für den Umgang mit derlei DDR Geschichten steht Henkel von Donnersmarcks „Das Leben der Anderen“. Die Bösen waren eben schon böse, bevor der Film anfing. Und sie bleiben es auch. Das Hollywood-Böse kennt keine Entwicklung, es erwartet seine Beseitigung.

Dresens Film ist da anders. Was Gundermann zu Partei und Stasi führt ist nicht Repression, Karriere oder persönlicher Vorteil. Es ist viel schlimmer. Was Gundermann zur Stasi bringt, ist seine Überzeugung. „Ich bin Kommunist“ sagt er an einer Stelle. Für den deutschen Film, der sich der DDR annimmt, gleicht das einem Tabubruch. Es gab Menschen in der DDR, die aus der Überzeugung heraus, das Gute zu tun, das System stützten.

Gundermann will sein Land schützen, jenes Land, dessen Widersprüche er hinnimmt, solange er das Gefühl hat, dass die Partei an deren Beseitigung arbeitet. Das Blatt wendet sich, als er erkennen muss, dass dem nicht so ist. Doch damit verändert sich nicht Gundermanns Weltanschauung. Was sich verändert, ist seine Wirklichkeit: Gundermann hat sich in der DDR getäuscht. Und die DDR in ihm. Gundermann bleibt Kommunist. Seine Haltung fließt ab in Musik.

Andreas Dresens Film ist schön, fast zärtlich. Doch diese subjektiv-weltanschauliche Ebene, die den Menschen Gundermann ja beinahe zerrissen haben muss, fehlt grundlegend. Die Enttäuschung des überzeugten Kommunisten, der nach seinem Parteiausschluss wie ein trotziges Kind sein Parteibuch behält, wirkt allenfalls ulkig. Was die Implosion der DDR in Gundermann ausgelöst haben mag, kann man nur erahnen. Im Film spielt es keine Rolle. „Ich habe auf das richtige Pferd gesetzt, aber es hat verloren“ sagt Gundermann an einer Stelle über die DDR, als er sich bei seinen Opfern entschuldigen soll. Was, wenn das wirklich so ist? Was, wenn Gundermann sich nicht entschuldigen kann, weil es für ihn nichts zu entschuldigen gibt? Hier ist der öffentliche Diskurs, dreißig Jahre nach der Wende, zu Ende. Und auch der Film zieht darüber hinweg.

Fast zehn Jahre soll Anderes Dresen um die Finanzierung gekämpft haben. Die Filmförderung hielt „Gundermann“ lange Zeit für nicht förderungswürdig. Hätte der Film Gundermanns Geschichte ideologiekritisch erzählt, hätte es ihn vermutlich nicht gegeben. Wer mit den Grauzonen der DDR hantiert, handelt sich rasch den Vorwurf des Relativierers ein. Dass sich Dresen für derlei Fragen durchaus erwärmt, zeigt die Inszenierung des Eugen Ruge Stückes über den tragischen Ibrahim Böhme, den letzten Vorsitzenden der DDR-SPD und Stasi IM.

Warum auch immer er darauf verzichtet hat, seinen Gundermann als politischen Menschen zu erzählen, es ist gut, dass Dresen es ist, der diese Geschichte erzählt und nicht die Folienmaler der deutschen Geschichte. Die hätten aber sicher auch nicht zehn Jahre um ihr Projekt gekämpft.

Richard Leising

dieses Land darin ich leben will / Aber muss

Richard Leising über die DDR

Es war das bessere Deutschland als Konsequenz aus dem untergegangen Faschismus.


Die Zeit, 29.09.

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